Mai 2003


17.05.2003 Aus! Papa schaufeln!

    Wie kommt klein Lasse da nu wieder drauf? Wahrscheinlich hat er bei dem letzten grossen Abenteuer unserer Reise gut aufgepasst. Bei der zweiten Saharadurchquerung an der mauretanischen Westkueste wollten wir noch einmal alles und sind nur nach Himmelsrichtung 40 km Luftlinie durch die Azzefal-Duenen gefahren. Fuer diejenigen, die schon einmal dort waren: ausgehend von Nouamghar hatten wir einen GPS-Punkt in oestlicher Richtung auf der LKW-Piste, auf den wir mehr oder weniger zugehalten haben. 40 km Luftlinie bedeuten in diesem Gelaende gut 60 km Kurverei in den Duenen. Damit uns nicht langweilig wird, haben wir den Mag auf diesem Teilstueck 11 mal ein- und wieder ausgegraben. Nachher, auf einem (warum wohl?) nicht mehr benutzten Abschnitt der alten LKW-Piste kamen noch ein halbes Dutzend Bergeaktionen dazu.

    Fuer Lasse eines der normalsten Fahrmanoever ueberhaupt. Witzig ist auch, wie er dieses offensichtlich beeindruckende Erlebnis im Spiel verarbeitet. Seine Autos fahren (bahn, bahn!) sich staendig fest (bett, bett) und muessen erst einmal freigeschaufelt (bei) werden. Dafuer gibt es weder Ampeln noch Vorfahrt oder Parkplaetze.

    Fuer uns war der Trip durch Mauretanien eine weitere Grenzerfahrung, die ich nur ansatzweise beschreiben kann.


    Das Gefuehl in einer solchen Situation haengt stark vom jetzt, dem davor und dem danach ab, von der momentanen Herausforderung und den (noch) verbleibenden Moeglichkeiten. Das wiederzugeben, ist mehr eine Sache fuer Philosophen und nix fuer schnoeselige Ingenieure.



    Angefangen hat das Abenteuer mit der ersten nervigen Grenzueberquerung unserer Reise. Eigentlich erstaunlich, besteht doch die Westkueste nur aus Grenzen. Fuer die Ausreise aus dem Senegal haben wir die Bruecke bei Diama gewaehlt, die um einiges relaxter sein soll als die Faehre bei Rosso. Relaxt isse dann auch eigentlich, nur scheisse teuer. Mit einer dreisten Selbstverstaenlichkeit verlangt jeder Blau- und Gruenkittel sein Schaerflein.

    Alles in allem fast 50 Euro, sie koennen sogar Euro-Wechselgeld herausgeben. Immerhin sind wir mit unserem Laster genau so "billig" weggekommen wie andere im PKW...

    Zumindest das Zerpfluecken des Autos ist komplett ausgeblieben und die 20 l Diesel, die die Mischpoke am Ende haben wollte, habe ich ohne Kanister verkauft. Den satten Schluck beim Ansaugen gabs gratis (hihi).

    Bei der ersten Kontrolle durch die Gendarmerie hinter Rosso durften wir dann feststellen, das in Mauretanien die CEDEAO-Versicherung nicht mehr anerkannt wird. Nach der Privatisierung der Versicherungen werden diese leider geschaeftstuechtig. Nur haben wir kein Geld und kein Bock in Rosso Versicherungen zu suchen, ausserdem ist Freitag und damit das muslimische Wochenende. Dummdreist gewinnt und ich frage den Gendarmeriechef nach dem Weg. Am Ende faehrt er mit uns nach Rosso und schickt dort seine Untergebenen, unsere Wege zu erledigen. Fuer lau, natuerlich nimmt er am Ende gerne ein Opinel-Messer als Geschenk entgegen. Abgesehen von der Grenze zum Senegal scheinen die Para-Offiziellen in Mauretanien ohnehin wie ausgewechselt. Inklusive der Grenze zu Marokko durchweg freundlich und kaum bis gar kein Pattex an den Fingern.


    Nouakchott erreichen wir wohlversichert und abermals knapp bei Kasse am Ende der Neumondphase. Das heisst, wir muessen uns beeilen. Der Trip am Strand nach Nouamghar ist fuer unserer Alteisen bei ausreichendem Tidenhub deutlich entspannter. Und der Tidenhub ist nun einmal bei Neu- und Vollmond am groessten. Unterbrochen von regelmaessigen Spaziergaengen an den Strand (wo ist denn nu das Wasser?) besorgen wir Kohle, Proviant, Wasser und Diesel. Dabei hilft uns ein Guide vom Campingplatz am Stand, ohne ihn haetten wir es niemals so schnell geschafft. Ausser dem erstklassigen Service kann man den Campingplatz aber mittlerweile vergessen. Kein Wasser in der Dusche, ein Gerenne und ein Verkehr wie in der Einkaufsstrasse und die Einheimischen gehen in Scharen genau hier an den Strand...
    Wie auch immer, keine 24 h spaeter stehen wir am fruehen Nachmittag auf dem hier recht schmalen Spuelsaum an der Atlantikkueste. Der kraeftige Westwind treibt die Brandung formatfuellend vor des Fahrerseitenfenster. Herz in die Hand genommen, ein paar Kilometer weiter wird der Spuelsaum breiter.



    Die Schluesselstellen in Form von Felsen am Strand und die herumliegenden Fischerboote lassen sich dank gutem Timing leicht umkurven. Bleibt der Thrill, mit geschaetzten 8 to (niemand kann uns herausziehen) und 60 Stundenkilometern am Strand entlangzufahren.
    Wir kommen in der Daemmerung in Nouamghar an und biegen kurz vorher gen Osten ab. Die Heinis von der Nationalparkbehoerde kriegen von uns nix. Offiziell duerfen wir die PKW-Pisten mit dem Mag nicht befahren, gegen ein kleines Entgeld sollen sie aber die Augen zu druecken...




    Von Martin aus der Zebrabar haben wir eine 6 Jahre alte GPS Koordinate 40 km oestlich auf der damaligen LKW-Piste. Da wollen wir hin. 500 l Diesel, 300 l Wasser, jede Menge Proviant und ein funktionierender Notfallkompass machen Mut. Am ersten Tag machen wir ab dem Einstieg in die Duenen 5 km Luftlinie auf den GPS-Punkt gut. Dabei versenken wir den Laster 5 mal und umkurven unzaehlige Duenen. In der Nacht weht uns der Sandsturm den Sand unter den Raedern weg. Wir sacken schlafwandlerische 30 cm ab, die zur Sicherheit untergelegten Sandbleche muessen morgens gebuegelt werden. Das macht erst einmal keinen Mut.

    Am Vormittag von Tag 2 aendern wir unsere Strategie. Statt die Duenen, die natuerlich quer zu unserer Peilung verlaufen, zu umfahren, kreuzen wir sie weit oben in ihrem Ursprung. Dort sind die Kaemme runder und lassen sich einigermassen befahren. Ausserdem gibts hier keine Sebkhas. Am Nachmittag laeufts schliesslich so gut, dass wir uns abends guten Gewissens fuer weiterfahren statt umkehren entscheiden koennen. Schliesslich haben wir 12 km geschafft und nur 6 mal den Laster ausgegraben.



    Tag 3: runter kommen sie alle, jaja. Heute ist der Preis fuer unsere Hochfahr-Strategie faellig. Wir muessen von den Kaesten wieder runter. Einmal schaufeln wir einen Steilabbruch weg, ein andernmal gehts nur volle Kapelle auf der windabgewandten, weichen Flanke hinunter. Meistens aber durch befahrbare Gassis. Wir erreichen unseren GPS-Punkt und...

    ...finden eine gut erkennbare Piste! Erleichterung. Der Rest, verteilt auf 2 Tage, ist Routine. Wir haben ja uns, unsere Koordinaten und unsere Schaufeln. Und wissen, warum diese Piste, die wir uns ausgesucht haben, nicht mehr befahren wird. Aus! Papa schaufeln. Am Ende insgesamt 17 mal.




    Die Zeit vor diesem Abenteuer haben wir fuers Umkehren genutzt. Bergfest, Halbzeit, irgendwie so etwas. Hauptsaechlich bei James und Lawrence in Makasutu, The Gambia. Meistens Hangin' loose. Der Weg dorthin war steinig, bzw. loechrig genug. Fahrt Northbank, da wisst ihr, das euch Piste erwartet! Die Southbank ist ueber weite Strecken ein uebler Acker, aufgelockert durch unzaehlige Kontrollposten. Alle 15 Minuten Papiere auspacken, Lasterspaziergang und was weiss ich. Was die Debilis wohl glauben zu finden, nachdem die Kollegen schon 20 mal gesucht haben? Egal, das Ziel war es wert.

    Sana hat super auf mein Motorrad aufgepasst, nach einem halben Tag war es gewartet und fahrfertig zugelassen. Der linke Tank und der linke Kruemmer vom Mag sind Dank Harrys Hilfe geschweisst und auch sonst ist alles in Ordnung. Zeit genug, um mit Lasse im Mandina Bolong baden zu gehen. Der Hammer! Schwimmfluegelbewehrtes Milchbroetchen hat einen Mordsspass im Salzwasser. Etwas spaeter gehts bei Tanji in den Atlantik. Die Wellen in der Brandung sind nochmal besser, dafuer nimmt er den einen oder anderen Schluck Bruehe gerne in Kauf.


    Zeit genug auch fuer eine kleine Bergwertung bzw. Zwischenbilanz (in Gambia!). Zuerst einmal die weitere Route ab Tambacounda/Senegal:

    GAMBIA: Basse, Brikama, Sukuta, Banjul, Barra

    SENEGAL: Kaolack, Touba, St. Louis

    MAURETANIEN: Diama, Nouakchott, Nouamghar, Nouadhibou

    MAROKKO/WESTSAHARA: Dakhla, Laayoune, Tan Tan, Tafraout, da sind wir jetzt

    Zahlen gibts auch, nach bestem Wissen und Gewissen:

    - 11007 km sind wir unterwegs
    - 4725 km davon auf Naturstrassen, Pisten, im Gelaende
    - 3000 l mehr oder weniger billigen Diesel haben wir vertankt
    - das macht einen Durchschnittsverbrauch von 27,3 l / 100 km
    - die Spanne reicht dabei von 45 l / 100 km in den Duenen des Grand Erg bis 19 l / 100 km beim Cruisen auf afrikanischen Asphaltstrassen
    - 630 l Trinkwasser haben wir durch unseren Filter gepumpt
    - das sind etwa 63 000 Pumpbewegungen und dicke Arme
    - 4 Fettkartuschen habe ich bei diversen Fettpressenspaziergaengen verteilt
    - 23 l Oel habe ich nachgekippt
    - das macht 2 l / 1000 km, wobei der Simmering an der Kupplung etwas sifft und wir viel im kleinen Gang unterwegs waren
    - 97 Tage sind wir unterwegs, davon haben wir 81 mal en brousse uebernachtet

    Und ein Ende ist nicht abzusehen. Schoen, oder? Jetzt, nach der Lausekaelte und dem Sturm in der Westsahara, weit ueber 1000 km weiter noerdlich (150 km davon mit einem vollbesetzten Taxi brousse en panne im Schlepp) freuen wir uns auf den Atlas in Marokko. Gestern haben wir erstaunlicherweise wieder einmal Wetter erlebt. Bei der Fahrradtour zu Les Peintures sind wir nur knapp einem Gewitter entgangen.

    Gluecklich, zufrieden und kein bischen muede
    Lasse, Nike und Zopfi


20.05.2003 Scheisendreck!
Scheiss Krieg, scheiss Achse des Boesen, scheiss Weltpolizei!



    Aus Prinzip halten wir uns eigentlich mit unserer politischen Weltanschauung zurueck. Selten allerdings hatten die weltpolitischen Veraenderungen so unmittelbare Auswirkungen auf uns wie jetzt auf dieser Reise. Im besonderen meine ich die "Bekaempfung" des internationalen Terrors, nach US-Amerikanischer Lesart den "Krieg gegen die Achse des Boesen".

    Im Uebrigen macht die Kuhle Wampe gerade eine interessante Aktion, die sich mit diesem Thema auseinandersetzt. Kontaktinformationen sind ebenfalls auf dieser Seite zu finden. An dieser Stelle wuenschen wir der Wampe noch einmal viele neue Ideen und Spass bei der Tour. Wir wuerden uns tierisch freuen, in vielleicht 6 Wochen ein Stueck mit Euch zu fahren, haltet uns doch bitte auf dem Laufenden!

    Aber was hat das alles mit uns und Afrika zu tun? Ich denke, Kriege veraendern die Hemmschwellen gegenueber Gewalt. Die Menschen werden radikaler und setzen zum Erreichen ihrer Ziele eher Gewalt gegen andere Menschen ein, als sie es in friedlicheren Zeiten taeten. In Algerien sind wir, damals absolut unbedarft, knapp genug den Entfuehrungen entgangen.

    Mit dem, was wir jetzt wissen (wir haben erst in Gao/Mali zumersten Mal von den Entfuehrungen erfahren), trennten uns in einem Fall nur gut 100 km vom Ort des Geschehens, in einem anderen Fall etwa 8 Tage. Einen von den Entfuehrten haben wir vorher an der algerischen Grenze getroffen und ihm eine gute Reise gewuenscht. Er hatte im Groben die gleiche Routenplanung wie wir. Noch einmal gut gegangen, wir sind wieder heile aus Algerien ausgereist.

    Alhamdoulilahi!


    Jetzt, in Marokko, holen uns die Geschehnisse wieder ein. Hier hoeren unsere ganz persoenlichen Abenteuer in den Wuesten Afrikas erst einmal auf. Wir haben lange gebraucht loszulassen und uns fuer die veraenderte Situation zu oeffnen.

    Gerade waren wir so weit und haben uns richtig auf das quirlige, wuselige Treiben in den Koenigsstaedten und die Einsamkeit auf den Bergpisten des Hohen Atlas gefreut, da erreicht uns die Nachricht von den fuerchterlichen Anschlaegen in Casablanca. Was halten wir davon? Was tun? Wir haben keine Lust mehr auf Menschenansammlungen, die vortreffliche weiche Ziele abgeben. Keine Lust auf entlegene, von Touristen regelmaessig frequentierte Pisten. Die Unbeschwertheit waere dahin, die Angst und die staendige Wachsamkeit nicht das, woran wir Freude gehabt haetten. Zu dieser Niedergeschlagenheit kommen noch technische Probleme mit der Bremsanlage des Lasters hinzu. Angesichts der bevorstehenden Paesse durchaus beunruhigend.

    Wir haben uns entschieden. Werden Marokko auf einer abgespeckten Route durchreisen, die das Risiko minimiert. Der Aerger ueber den Krieg, losgeloest von unsrerer Reise, faehrt mit. Der Mag bremst wieder so, wie ein Mag bremsen soll.



    Trotzdem oder gerade deshalb verbringen wir traumhafte Tage im Antiatlas. Heute haben wir auf dem spektakulaeren Tizi ´n Test den Hohen Atlas zum ersten Mal ueberquert. Gerade planscht Lasse im wasserfuehrenden Oued Nfiss, wo wir auch bleiben werden. Alles in allem ist bei uns noch alles im Lot.

    Sebastian, eine Reisebekantschaft aus Tunesien, hatte damals eine andere Reisebekannschaft zitiert:

    Alles wird besser, nix wird gut.

    Manchmal ist das so.
    Lasse, Nike und Zopfi


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